Annchen von Tharau
Johann Gottfried
Herder hat das samländische Original übertragen.
Annchen von Tharau
ist, die mir gefällt,
Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.
Annchen von Tharau
hat wieder ihr Herz
Auf mich gerichtet
in Lieb' und in Schmerz.
Annchen von Tharau,
mein Reichthum, mein Gut,
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!
Käm'
alles Wetter gleich auf uns
zu schlahn,
Wir sind gesinnet bei
einander zu stahn.
Krankheit,
Verfolgung, Betrübniß und
Pein
Soll unsrer
Liebe Verknotigung sein.
Recht als ein
Palmenbaum über sich steigt,
Je mehr ihn Hagel und Regen anficht;
So wird die Lieb'
in uns mächtig und groß
Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei
Noth.
Würdest du gleich
einmal von mir getrennt,
Lebtest, da wo man die Sonne
kaum kennt;
Ich will dir folgen
durch Wälder, durch Meer,
Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.
Annchen von Tharau,
mein Licht, meine Sonn,
Mein
Leben schließ' ich um deines herum.
Was ich gebiete, wird
von dir gethan,
Was ich verbiete, das läßt du mir stahn.
Was hat die Liebe
doch für ein Bestand,
Wo nicht Ein Herz ist, Ein Mund, Eine Hand?
Wo man sich
peiniget, zanket
und schlägt,
Und gleich den Hunden und Katzen beträgt?
Annchen von Tharau,
das woll'n wir nicht thun;
Du bist mein Täubchen, mein
Schäfchen, mein Huhn.
Was ich begehre, ist lieb dir und gut;
Ich laß den Rock dir, du läßt mir den
Hut!
Dies ist uns
Annchen die süsseste Ruh,
Ein Leib und Seele wird aus
Ich und Du.
Dies macht das
Leben zum himmlischen Reich,
Durch Zanken wird es der Hölle
gleich.
Aufgaben.
Wie unterstreicht der Erzähler die Stärke seiner Liebe?
Was kann die Liebe bestärken, und was kann die Liebe schwächen?
“Was ich gebiete, wird von dir gethan „ – Wie ist hier die Rolle der Frau?
“Ich laß den Rock dir, du lässt mir den Hut“ – was meint er damit?
Herr Oluf
Johann Gottfried Herder
Herr Oluf reitet
spät und weit,
Zu bieten auf seine Hochzeitleut'.
Du tanzen die
Elfen auf grünem Strand,
Erlkönigs Tochter
reicht ihm die Hand:
"Willkommen, Herr Oluf, komm tanzen mit mir,
Zwei göldene Sporen
schenke ich dir."
Ich darf nicht
tanzen, nicht tanzen ich mag,
Denn morgen is mein Hochzeittag."
"Tritt näher, Herr Oluf, komm tanzen mit mir,
Ein Hemd von Seiden schenke ich
dir,
Ein Hemd von Seiden so weiß und fein,
Meine Mutter bleicht's mit Mondenschein!"
"Ich darf
nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Denn morgen ist mein Hochzeittag."
"Tritt näher, Herr Oluf, komm tanzen mit mir,
Einen Haufen Goldes
schenke ich dir."
"Einen Haufen Goldes nähme ich wohl,
Doch tanzen ich nicht darf noch soll."
"Und willst
du, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir,
Soll Seuch' und
Krankheit folgen dir!"
Sie tät ihm geben einen Schlag
aufs Herz,
Sein Lebtag fühlt' er nicht solchen Schmerz.
Drauf tät sie ihn heben
auf sein Pferd:
"Reit' heim zu deinem Fräulein wert!"
Und als er kam vor
Hauses Tür,
Seine Mutter zitternd stand
dafür:
"Sag an, mein Sohn, und sag mir gleich,
Wovon du bist so blaß und
bleich?"
"Und sollt ich nicht sein blaß und bleich?
Ich kam in Erlenkönigs Reich."
"Sag an, mein Sohn, so lieb und traut,
Was soll ich sagen deiner Braut?"
"Sagt ihr, ich ritt in den Wald zur Stund,
Zu proben allda mein Roß und
Hund."
Früh Morgens als der Tag kaum war,
Da kam die Braut mit der Hochzeitschar.
Sie schenkten Met, sie schenkten Wein:
"Wo ist Herr Oluf, der Bräutigam
mein?"
"Herr Oluf ritt in den Wald zur Stund,
Zu proben allda sein Roß und Hund."
Die Braut hob auf den Scharlach rot,
Da lag Herr Oluf und war tot.
Aufgaben.
Erzählen Sie mit eigenen Worten die Geschichte, die im Lied erzählt wird.
Vergleichen Sie dieses Lied mit Goethes „Erlkönig“.
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